Die jüdische Gemeinde Seesens bekam 1810 durch das Engagement von Israel Jacobson ihre erste Synagoge. Als Versammlungsort werden Synagogen für Gottesdienste und Veranstaltungen der Gemeinden genutzt. Die Gemeindeverwaltung, das Lehrhaus und das rituelle Tauchbad sind darin untergebracht und Reisende finden darin eine Herberge.
Die Synagoge in Seesen wurde im Innenhof der Schule errichtet, da sie nicht an Straßen erbaut werden durften. Die Einweihung erfolgte mit einem gemeinsamen christlich-jüdischen Gottesdienst am 17.07.1810 und die Synagoge wurde nach Jacobsons Vater zum „Jacobstempel“ ernannt. Über dem Tempelportal verwies ein Bibelwort auf die von Jacobson angestrebte christlich-jüdische Verständigung: „Haben wir denn nicht alle einen Vater? Hat nicht ein Gott uns erschaffen?“
Zur Innenausstattung des nach Jerusalem ausgerichteten Gebäudes gehören generell eine Wandnische mit dem Schrein für die Thora-Rollen, ein Podest zur Verlesung der Thora, Bima oder Almenar genannt, und ein als Kathedra des Moses bezeichneter Ehrensessel. Die Thora enthält die fünf Bücher Moses, Geschichte des Volkes Israel, religiöse Belehrungen, kultische, moralische und juristische Vorschriften sowie Psalmen und Prophetien. Sie ist die Grundlage des jüdischen Glaubens und der Gemeinde. Jede Woche wird beim Gottesdienst ein Abschnitt der Thora verlesen und erläutert. Sie Seesener Synagoge wartete in Anlehnung an christliche Vorbilder mit einer Orgel auf. Als weitere Neuerung wurde nicht, wie sonst üblich, auf Hebräisch sondern auf Deutsch gepredigt und gebetet. Vor der Hundertjahrfeier der Schule 1901 wurde der Tempel renoviert.
Seit Ende der 1920er Jahre wurde die Synagoge nur noch selten benutzt. Zwischen 1933 und 1937 wurde sie mehrfach durch „Volksgenossen“ demoliert. Hebräische Schriften und jüdische Symbole wurden übermalt. Da der Schulhof Aufmarschgelände von Parteiformationen war, empfand man die Synagoge als Ärgernis. Am Abend des 9.11.1938 brannte die Synagoge durch Brandstiftung völlig aus. Der Synagogenwächter Nußbaum starb am 14.11.1938 an den Folgen einer Schussverletzung, bzw. den Folgen von Misshandlungen. Die genaue Todesursache konnte auch ein Gerichtsverfahren nach dem Krieg nicht klären.
Der Seesener Jacobstempel wird auch als Keimzelle des Reformjudentums (auch liberales oder progressives Judentum) bezeichnet. Die Neuerungen, für die sich Israel Jacobson eingesetzt hatte, wirkten fast wie eine Emanzipation des Judentums. Auch hier blieb er seinem Grundsatz treu, Integration und ein gesellschaftliches Miteinander aller zu schaffen.
Heute gibt es keine jüdische Gemeinde mehr in Seesen, doch die Erinnerung wird lebendig gehalten. Die Wandlung des Jacobson-Hauses bietet auch diesem Teil der Geschichte seinen Platz.
Eine Nachbildung der Synagoge ist heute im städtischen Museum zu sehen. Ein Besuch lohnt sich. www.museum-seesen.de